loading

Wasser. Körper. Leben.
Aufstieg der Badekultur

Die wohl wichtigsten Badetraditionen gingen vom Römischen Reich aus. Die Römer schufen alle strukturellen Voraussetzungen für eines ihrer wichtigsten Prinzipien, das der Dichter Juvenal formuliert hatte: „mens sana in corpore sano“ („Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“). Ihre monumentalen Bäder glichen architektonischen Meisterwerken und ihre zur Kunstform erhobenen Badepraktiken verbanden den Akt der Reinigung mit körperlicher Ertüchtigung und gesellschaftlicher Unterhaltung.

Mit den zum Bersten vollen Badehäusern des alten Roms war ein entscheidender kultureller Schritt vollzogen: Wasser war nicht mehr nur praktisch, sondern auch ein Vergnügen. Jene Art öffentlicher Badekultur, die auch mit ausufernder Sinnlichkeit einherging, nahm mit dem Niedergang des Römischen Reiches und den neuen Moralvorstellungen jedoch vorläufig ihr Ende. Angelehnt an die römischen Bäder bauten die Moslems ihre eigenen Badestätten – mit dem Unterschied, dass die prächtigen Hamams Orte der Muße und stiller Neubelebung waren. Die körperliche Reinigung, begleitet durch Musik und Meditation, zelebrierte zugleich physische Zurückgezogenheit und spirituelle Einkehr. Hier blieb man stunden-, manchmal auch tagelang. Auch heute noch sind Hamams wichtiger Bestandteil der Gesellschaftskultur islamischer Länder, zugleich hat Europa die exotischen Badeoasen für sich entdeckt.

Entstehung der Badekurorte

Der rasant wachsende Zustrom an Besuchern von Quellen, denen man magische Heilkräfte zuschrieb, trieb in Europa die Entstehung der ersten Badeorte voran. Die Reisenden hatten wenige Annehmlichkeiten zu erwarten. Außer den Quellen gab es nur bescheidene Unterkünfte und oftmals schlechte Verpflegung. Davon ließ man sich jedoch nicht beirren. Viele träumten von Wunderheilungen, aber auch die Realität hatte ihr Gutes: Viele Quellen linderten Hautkrankheiten und die Menschen empfanden den therapeutischen Effekt auf Körper und Seele fast als Wunder.

Copyright Fotolia

„Wasser ist H 2O: zwei Teile Wasserstoff, ein Teil Sauerstoff. Aber da ist noch ein Drittes, das es zu Wasser macht. Und niemand weiß, was es ist.“ D.H.Lawrence

Mit der Reformation trat die Medizin an die Stelle von Alchemie und Magie und leitete einen tiefgreifenden Wertewandel ein: Reinlichkeit für die Gesundheit. Ärzte empfahlen enorme Mengen an Wasser mit hohem Mineralgehalt zu trinken, wodurch sämtliche Krankheiten kuriert werden sollten. Da bestimmten Quellen ein höheres Potential zur Heilung zugesprochen wurde, veränderte sich nun auch das Klientel. Mit der Aristokratie und den Wohlhabenden zog ein anspruchsvollerer Patientenkreis ein, der seinen luxuriösen Lebensstil auch während der Kur beibehalten wollte. Verlangt wurden exquisite Räumlichkeiten und elegante Anlagen – der Grundstein für die Entstehung prachtvoller Kurorte war gelegt. Die alten römischen Bäder erfuhren eine Renaissance und Europa lag im Kurfieber. Man badete gemeinsam, erlebte die Belebung und Verjüngung, entspannte die Seele und stärkte den Geist. Die Bäder dienten auch dazu, sich von den viktorianischen Moralvorstellungen zu erholen, denen man sich im normalen Leben nicht entziehen konnte. So frönte man im eingeschworenen Kreis der Kurgäste der zügellosen Erotik und genoss die unbeschwerte Freizügigkeit. Beethoven und Goethe bevorzugten die Kur in Karlsbad, Napoleon pflegte den Müßiggang in Vichy und Turgenjew entspannte in Baden-Baden.

Neuer Wassertrend – Neue Mythen

Bedingt durch die Weltkriege im 20. Jahrhundert verloren die Bäder an Bedeutung. Erst der Fitness-Boom der 1980er Jahre brachte das Wasser wieder ins Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit und an jenen Punkt, wo die Gesellschaft seit jeher essenziellen Bedarf hat und wohl immer haben wird: an physischer und psychischer Gesundheit. So haben auch neue Mythen den Einzug in die Welt des Wassers gehalten. Getragen von der Hoffnung, man könne dem allgegenwärtigen Wasser seine letzten Geheimnisse entlocken. Einer dieser neuen Mythen – die wissenschaftlich weder belegt und teilweise aber auch nicht widerlegt werden konnten –, ist das „belebte Wasser“. Ausgangspunkt des Begriffs sind die Beobachtungen des Tiroler Försters und eigenständigen Naturforschers Viktor Schauberger, der in den 1920er Jahren zur Auffassung gelangte, dass unbekannte Antriebskräfte in der Natur wirken, die in konzentrischen Wasserwirbeln Energie freisetzen. Daraus entwickelte er den Schauberger-Trichter, einen hyperbolischen Trichter zur Verbesserung der Trinkwasserqualität, der das Wasser, statt es in geraden Leitungen zu halten, in seinen Ursprungszustand von Spiralkurven zurückführt und dadurch energetisiert und die Qualität verbessert. Ähnlich verhält es sich auch mit dem „Grander Wasser“, dessen Verfahren zur Wasserbelebung ein gesundes Milieu für nützliche Mikroorganismen im Wasser verspricht. Wissenschaftlich nicht erwiesen, schwören die mittlerweile weltweiten Kunden trotzdem auf die Wirksamkeit von Grander-Wasser. In den Reigen der neuen Wasser-Mythen reiht sich auch der Japaner Masaru Emoto ein. Sein Thema ist die Wasserkristallfotografie, in deren Rahmen er versucht die Form der Kristalle mit Qualität und Zustand des Wassers in Verbindung zu bringen. So meint Emoto, dass sich Wasser durch Gefühle „beseelen“ und verbessern ließe – etwa durch die Beschallung mit Musik.

Copyright esbjerg.com Fotograf: David Vance

„Wenn der Brunnen trocken ist, erkennen wir den Wert des Wassers.“ Benjamin Franklin

Man mag an diese neuen Mythen rund um das Wasser und seine Fähigkeiten glauben oder nicht, ein schöner Gedanke ist es dennoch – die Beseelung des Wassers. Zumal doch ein wahrer Kern darin steckt. Denn unter der Beseelung des Wassers könnte man auch die Beseelung des Menschen verstehen. Und dieses Kunststück hat das Wasser im Laufe der Geschichte immer wieder vollbracht. Heute nennen wir es Wellness. Die Balance zwischen Geist und Körper hat in unserer beschleunigten Zeit mehr denn je an Bedeutung gewonnen. Und wieder steht das Wasser als universelles Element im Mittelpunkt. Als effektiver Helfer für Schönheit und Gesundheit. Als wohltuender Entschleuniger. Als Reduktion auf das Wesentliche – sei es das ruhige Wannenbad zu Hause, das den Geist von unzähligen Eindrücken erholt. Ein Kurztrip mit Freunden in ein Thermenhotel, wo man während des Baderituals nicht nur sich selbst pflegt, sondern auch seine sozialen Kontakte. Oder aber das simple Glas frisches Wasser, das unseren Organismus seit jeher belebt und uns darauf besinnen lässt, dass jeder Tropfen davon nicht nur kostbar ist, sondern auch ein Teil von uns selbst.